Lawinenschutz

Allgemeine Anwendung

Die Lawinengefahr ist ein wichtiger Faktor nicht nur bei der Raumordnungsplanung und -entwicklung in Gebirgsregionen. Sie wirkt sich vor allem auch auf die Nutzung von Infrastrukturbauwerke aus. In Lawinenrisikogebieten kann die Gefährdung durch ein permanentes Lawinenüberwachungsprogramm oder durch den Einbau von Lawinenschutzverbauungen minimiert werden. Bei Lawinenüberwachungsprogrammen werden kleinere Lawinen regelmäßig z.B. durch Lawinensprengungen künstlich ausgelöst, um Lawinenabgänge größeren Ausmaßes zu verhindern. Diese Vorgehensweise, welche eine permanente fachspezifische Expertise erfordert, ist mit langfristig hohen Kosten verbunden. Bei Lawinenverbauungen dagegen sind zwar die anfänglichen Kosten höher, es ist aber keine permanente Überwachung durch Fachexperten notwendigt. Dadurch können die Gesamtkosten über die Jahre gesenkt werden. Lawinenverbauungen werden im Anbruchsgebiet oder in der Auslaufzone von Lawinen errichtet, um die Wahrscheinlichkeit des Abganges größerer Schneebrett- und Gleitschneelawinen und die daraus resultierende Bedrohung gefährdeter Gebiete zu reduzieren.

Lawinensituation ohne Schutz

Statische Verbauungen

Dynamische Verbauungen

1.Auslösebereich: Bereich in dem sich die Lawine entwickelt und loslöst; 2.Sturzbahn: Bewegungsbereich der Lawine vom Anrisspunkt über die Lawinenbahn bis hin zum Auslauf- und Ablagerungsbereich; 3.Zu schützende Objekte: z.B. Infrastrukturbauwerke, Gebäude, Skigebiete

Statische Lawinenschutzbauwerke

Statische Schutzbauwerke werden zur Risikominimierung in den Startzonen potenzieller Lawinenanbruchsgebiete eingebaut, um deren Auslösen zu verhindern. Sowohl Lawinenverbauungen (Schneenetze) als auch Schneenetzrechen bestehen aus flexiblen Omega-Netzen, die über Stützen und Tragseile aufgespannt und in der Böschung verankert werden. Die einzelnen Zaunreihen werden in Serie im Anbruchsgebiet errichtet. Im Winter halten die Schneenetze den abgelagerten Schnee zurück. Das Lawinenschutzbauwerk verhindert, dass sich die Schneedecke löst und als Lawine abgeht.

Auf diese Weise bietet der Lawinenschutz viele Vorteile wie zum Beispiel:

  • Praktisch kein Wartungsaufwand
  • Keine zusätzlichen Kosten für Zufahrstwege (Straßen, Schienen, …)
  • Zuverlässiger wetterunabhängiger Schutz
  • Kein Einsatz von Personen in Gefahrensituationen
  • Unterstützt Wiederaufforstung der Sturzbahnen und Lawinenablagerungsbereiche
  • Behebt bereits die Gefahr an dem Punkt, der am weitesten vom zu schützenden Objekt entfernt ist

Die Bemessung und konstruktive Ausbildung erfolgt zusammen mit Lawinenexperten gemäß der Österreichischen oder Schweizer Richtlinien (ONR 24805, 24806, 24807, WSL). Da die Installation der Bauwerke meist in schwer zugänglichem Gelände liegt, ist eine leichte und schnelle Installation sehr wichtig. Die einzelnen Komponenten können vorab zu kompakten Einheiten zusammengestellt werden; durch die montageoptimierte Konstruktion können die Einsatzstunden eines Helikopters oder Krans, der meist zum Errichten des Zaun eingesetzt wird, sowie auch die Arbeitszeit reduziert werden. Die Verbindung der einzelnen Komponenten ist möglichst einfach konstruiert, um die Lasten im System effektiv aufzunehmen und zu verteilen.

1.Stütze; 2.Grundplatte; 3.Omega-Netz; 4.Talseitige Abspannung; 5.Oberes Tragseil; 6.Anker; 7.Talseitige Verankerung; 8.Seitliche Verankerung; 9.Bergseitige Verankerung
A-B-C. Progressive Verformung mit zunehmender Schneedecke

Dynamische Lawinenschutzbauwerke

Dynamische Schutzbauwerke wirken bei Lawinen, die bereits in Bewegung sind. Der Einsatz derartiger Schutzbauwerke mit flexiblen Netzen ist noch wenig erforscht. Das Basiswissen über die Wirkungsweise wurde bei Lawineneinträgen in Steinschlagschutzsystemem gewonnen. Trumer Schutzbauten betreibt zusammen mit dem Österreichisches Institut für Naturgefahren des BFW eine meßtechnisch überwachte Testeinrichtung für genau diesen Zweck, mit der künstlich oder natürlich ausgelöste Lawinen abgefangen werden.

Dynamische Schutzbauwerke sind ähnlich wie Steinschlagschutzzäune lineare Bauwerke, die in Auslaufzonen von Lawinenstrichen errichtet werden. Während Steinschlagschutzzäune konzipiert sind, Steine und Blöcke zurückzuhalten, verkürzen dynamische Lawinenschutzverbauungen die Auslaufstrecke von Lawinen und reduzieren somit Größe des Gefährdungsbereiches.

Dynamische Lawinenschutzsysteme besitzen gegenüber statischen Verbauungen einige Vorteile:

  • Erheblich kostengünstiger als statische Bauwerke, wenn diese in mehreren Staffeln im gesamten Anbruchsbereich installiert werden müssen
  • Einbauort ist meist einfacher erreichbar
  • Vereinfachtes Design und Layout

Die Bemessung und Ausgestaltung wird zusammen mit Lawinenexperten auf Basis der Gegebenheiten am Einbauort ausgearbeitet. Das charakteristische Lastszenario basiert auf der Kenntnis von früheren Lawinenereignissen und den Ergebnissen von Lawinenmodellen und dient als Basis für die Dimensionierung des dynamischen Schutzsystems.


Literatur

ASI (2010) ONR 24805: Permanenter technischer Lawinenschutz - Benennungen und Definitionen sowie statische und dynamische Einwirkungen . Austrian Standards Institute, Wien, Österreich.

ASI (2010) ONR 24807: Permanenter technischer Lawinenschutz - Überwachung und Instandhaltung . Austrian Standards Institute, Wien, Österreich.

ASI (2011) ONR 24806: Permanenter technischer Lawinenschutz - Bemessung und konstruktive Ausgestaltung . Austrian Standards Institute, Wien, Österreich.

Gleirscher et al (2012) SNOWCATCHER: A new snow avalanche protection measure. Proceedings, 2012 International Snow Science Workshop, Anchorage, Alaska.

Rammer, Stelzer and Kern (2009) Investigation on the effectiveness of the catch-fence "Snowcatcher" as avalanche protection system. Proceedings, 2009 International Snow Science Workshop, Davos, Schweiz.

BAFU (2007) Lawinenverbau im Anbruchgebiet . Bundesamt für Umwelt BAFU, Bern, Schweiz.