Fels- und Hangsicherungsrichtlinien

Was Sie wissen müssen

Netze und Geflechte werden häufig an Felshängen installiert, um kleine Steinschläge, die aus z.T. großflächigen instabilen Liefergebieten stammen, zu verhindern. Die einfachste Lösung besteht in der Aufhängung von Netzen oder Geflechten an einem oberen Tragseil, das entlang des oberen Randes des Liefergebietes gespannt wird. Dadurch kann das Felsmaterial, das sich am Hang löst, kontrolliert hinter dem Netz oder Geflecht nach unten fallen. In den meisten Fällem ist ein Auffangbereich am Böschungsfuß vorhanden oder wird angelegt, in dem sich das Material ablagert. Diese werden oft als "Felsvorhänge" bezeichnet.

Es gibt viele Anwendungsrichtlinien, die beschreiben, wie diese Systeme zu konstruieren sind; manche von diesen nennen bevorzugte Materialien. Die Richtlinien werden normalerweise von Behörden veröffentlicht, die verantwortlich für die Instandhaltung von Verkehrswegen sind (siehe Referenzen unten).

Eine weitere Möglichkeit sind Böschungssicherungssysteme. Diese Systeme verwenden eine rasterförmige Verankerung, an der die Netze oder Geflechte am Hang befestigt werden. Die Kombination von Netzen oder Geflechten und Boden- bzw. Felsnägeln erhöht zum einen die globale Stabilität der Böschung. Zum anderen wird verhindert, dass zwischen den Nägeln Felsblöcke herausfallen oder flachgründige Rutschungen entstehen.

Zurzeit gibt es keine weitreichend anerkannten Richtlinien für Bemessung und Anwendung von Böschungssicherungssystemen.
Sowohl bei den Felsvorhängen als auch bei den rastervernagelten Böschungssicherungssystemen erstellt der Projektplaner das Design für die am Einbauort gegebenen Bedingungen und legt die Anforderungen an die Materialien fest. Hierbei gibt es vier entscheidende Anforderungen an die Systeme, welche das Design beeinflussen: Zugfestigkeit, Durchstanzfestigkeit, Masseneinheit und Maschenöffnung.

Seit März 2016 gibt es von der EOTA für unterschiedliche Böschungssicherungssysteme Europäische Bewertungsdokumente (EADs). Diese beschreiben - wie auch die ETAG 27 - Testverfahren sowie Produktanforderungen und geben vor, welche Dokumentationen für eine Bewertung und den Zertifizierungsprozess auf Europäischer Ebene erforderlich sind.

Folgende EADs werden für den Bereich der Böschungssicherungssysteme auf der homepage der EOTA publiziert (https://www.eota.eu/en-GB/content/eads/56/):

EAD 230004-00-106 "Wire ring mesh panels"
EAD 230005-00-106 "Wire rope net panels"
EAD 230008-00-106 "Double twisted steel wire mesh reinforced or not with ropes"
EAD 230025-00-106 "Flexible facings systems for slope stabilization and rock protection"

Zugfestigkeit

Die Zugfestigkeit eines Netzes bzw. Geflechts wird in Kraft pro Längeneinheit angegeben (normalerweise kN/m), sowohl parallel als auch senkrecht zur Webrichtung. Der Wert der Zugfestigkeit ist die maximale Bruchkraft des Netzes bzw. Geflechts einer Stichprobe. Die Zugfestigkeit ist der meistverwendete Parameter für die Bemessung, da die Versuchsaufbauten gut dokumentiert und akzeptiert sind. Zudem sind die Versuchsergebnisse der Zugversuche einfach zu vergleichen, z.B bei unterschiedlichen Maschenweiten von Böschungssicherungssystemen. Daher kann der Test der Zugfestigkeit als Indextest betrachtet werden.

Es gibt einige Richtlinien für Netze und Geflechte, die akzeptierte Testmethoden beschreiben, wie z. B. EN 10223-3, ISO 17746, ASTM A975. Auch bei allen oben genannten EADs werden verschiedene Testverfahren als Bewertungsgrundlage, z.B. auch für die Ermittlung der Zugfestigkeit, herangezogen.

Ein weit verbreiteter Fehler besteht darin, die Zugfestigkeit eines einzelnen Drahtes mit der Zugfestigkeit des Netzes oder Geflechts zu verwechseln. Ein Geflecht mit einer geringeren Drahtzugfestigkeit und mehr Einzeldrähten (geringere Maschenweite) kann eine weitaus höhere Netzzugfestigkeit besitzen als ein Geflecht, das aus hochfesten Drähten proziert wurde. Weiters spielt die Maschenform und Webart der Netze und Geflechte eine wichtige Rolle für die Zugfestigkeit . So ist zwischen isotropen Netzen/Geflechten, bei der die Zugsfestigkeiten in beide Richtungen gleich sind und orthotropen Netzen/Geflechten, bei der die Zugfestigkeit in Querrichtung oft nur einen Bruchteil der Zugfestigkeit in Längsrichtung beträgt, zu unterscheiden.

Image

Zugfestigkeitstest laut ASTM A975

Image

Zugfestigkeitstest laut EN10223-3

 

Durchstanzfestigkeit

Die Durchstanzfestigkeit eines Netzes oder Gefelchts wird als Kraft angegeben (normalerweise kN), die senkrecht zur Netzebene gemessen wird. Bei der Ermittlung der Durchstanzfestigkeit wird eine Kraft durch eine Platte oder ein anderes Durchstanzobjekt bis zum Bruch des Netzes oder Geflechts aufgebracht. Der Wert der maximalen Durchstanzkarft beim Bruch wird messtechnisch erfasst. Bei dieser Art von Tests haben Größe, Form und Platzierung der Platte große Auswirkungen auf das Ergebnis. Sollte der Test für ein Böschungssicherungssystem durchgeführt werden, ist es wichtig, standardmäßig verwendete Ankerkopfplatten - z.B. Zahnplatten der Systemhersteller - zu verwenden.

Um Dinge weiter zu verkomplizieren, gibt es riesige Unterschiede zwischen den verschieden Testverfahren der Hersteller. Zum Beispiel werden beim ASTM A975 oder der EN 10223-3 kreisförmige Durchstanzobjekte mit einem Radius von 30 cm verwendet, wohingegen bei der ISO 17746 ein Radius von 1 m verwenden wird; andere Standards verwenden angeschrägte Kanten, andere nicht und wieder andere verwenden Platten, bei denen die gesamte Oberfläche gebogen ist (ISO 17746); manche Tests verwenden ein verformbares Medium (z.B. Sand) unter dem Netz, andere testen ohne dieses Medium.

Kurz gesagt, gibt es aktuell keinen allgemein anerkannten Durchstanztest, der für die Vergleichbarkeit von unterschiedlichen Produkten für dieselbe Anwendung verwendet wird. Im EAD 230025-00-0106 werden ein Durchstanztest und Scherstanztest beschrieben, dessen Ergebnis als Grundlage für die Bemessung dient.

Die Durchstanzfestigkeit als Bemessungsparameter für Felsvorhänge kann zugunsten der Zugfestigkeit vernachlässigt werden, außer es liegen Einwirkungen mit hoher Geschwindigkeit oder hohe Punktbelastungen vor. Im Gegensatz dazu sind die Durchstanz- und Scherstanzfestigkeit von Netzen und Geflechten bei der Bemessung von Böschungssicherungssystemen die maßgebendem Parameter. In diesem Fall sollten, wie bereits erwähnt, die relevanten Tests mit standardmäßigen herstellerkonformen Ankerplatten verwendet werden sowohl mit Widerlager als auch ohne Widerlager durchgeführt werden. Die Ergebnisse der unterschiedlichen Versuchsaufbauten sind für ein sinnvolles Design notwendig.

Image

"Freischwebender" Durchstanzversuch laut ASTM A975

Image

"Freischwebender" System-Durchstanzversuch

Image

"Unterstützter" System-Durchstanzversuch

Weitere Parameter

Es gibt diverse weitere Parameter, welche in Betracht bezogen werden können, wenn es um die Spezifizierung von Netzen geht. Die bekannteren sind die Maschenweite, das Einheitsgewicht, der Mindestdrahtdurchmesser und die Art der Beschichtung. Obwohl es im Moment keine einheitlichen Vorgaben für diese Parameter gibt, ist es doch wichtig, sie auf unvoreingenommene Weise zu spezifizieren. Versichern Sie sich, dass das spezifizierte Merkmal relevant für die Bemessung ist und keine technisch inkorrekte Voreingenommenheit hervorruft, wie beispielsweise das Spezifizieren der Zugkraft eines einzelnen Drahtes. Dieses Merkmal gibt nicht die Zugfestigkeit oder Durchstanzfestigkeit des Netzes an.

Beispiel: Ein Netz mit 1770 N/mm2 und einer Maschenweite von 83 mm x 143 mm wird eine niedrigere Netzzugkraft (Tragkraft) haben als ein Produkt mit einer Drahtzugfestigkeit von 900 N/mm hat2 und einer Maschenweite von 50 mm x 50 mm. Für gewisse Parameter, wie Drahtparameter oder Korrissionsschutz, können Spezifikationen in etablierten internationalen Materialstandards gefunden werden.


Literatur

ASTM (2011) A975 Standard specification for double-twist hexagonal mesh gabions and revet mattresses (metallic-coated steel wire or metallic-coated steel wire with poly(vinyl chloride) (PVC) coating). ASTM International, West Conshohocken, USA.

ISO (2014) ISO/DIS 17746 Steel wire rope net panels and rolls - Definitions and specifications. International Organization for Standards, Geneva, Switzerland.

CEN (2013) EN 10223-3 Steel wire and wire products for fencing and netting - Part 3: Hexagonal steel wire mesh products for civil engineering purposes. European Committee for Standardization, Brussels, Belgium.